Samstag, 18. Dezember 2010

„Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“ (Joachim Ringelnatz) – Über die Veröffentlichung der Web-Comedy „Points of you“.


Herr A. erzählt mir an einem Winterabend in Berlin, dass er vor langer Zeit aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist – als „Gastarbeiter“, wie es damals hieß. Ungeachtet dieser Vorgeschichte, verstehe er sich als muslimischer Deutscher, gehe in die Moschee, besuche aber ebenso Kirchen und genieße ganz gern Wein. – Was für ihn kein Problem ist, ist es für andere – sogenannte „angestammte Deutsche“ – schon. Herrn A.s Sohn C. hatte in der Schule ein einschneidendes Erlebnis, als er gefragt wurde, wer er sei und woher er komme. Für ihn war klar, dass er Deutscher ist. – Sagte es, und wurde von seinen Mitschülern ausgelacht. 

Im Deutschland Thilo Sarrazins, der als „angestammter (Ideal-?)Deutscher“ muslimische Einwanderer offen diffamiert, ist gerade eine Web-Comedy namens „Points of you“ entstanden. Sie thematisiert – nein, (noch) nicht die Vorurteile eines deutschen „Angestammten“ wie Sarrazin gegenüber deutschen Muslimen oder umgedreht. „Points of you“  behandelt den ganz normalen Stereotype-Dschungel, der sich in den Köpfen deutscher, britischer, französischer und italienischer Europäer über ihre europäischen Mitbürger befindet.
Hier trifft der über-korrekte, leicht neurotische Deutsche Bastian auf den locker-flapsigen Engländer Ryan, der sich um eines netten Abendessens mit seinen Mitbewohnern willen, weniger um die Fangbedingungen des Dosenthunfischs, als um angenehme Unterhaltung Gedanken macht. Die Französin Elodie zerstört ihm diese Hoffnungen jedoch bald ziemlich handgreiflich und leidenschaftlich. Fehlt noch die italienische Katholikin Sofia, die – im Zwiegespräch mit Jesus am Kreuze – die Spaghetti- und Mafia-Vorurteile ihres Mitbewohners Bastian gründlich satt hat.

Und Sie, liebe Leserin und lieber Leser? Sind Sie von Vorurteilen jeglicher Art verschont? Ja? Herzlichen Glückwunsch! Diese Web-Comedy wird Sie herzlich lachen lassen über all jene, denen dieser himmlische Zustand fremd ist. Sollte in Ihnen aber doch einmal der Anflug eines Vorurteils aufgekeimt sein, können Sie in „Points of you“ entdecken, wie ausgesprochene und unausgesprochene Klischees auf diejenigen wirken, die damit konfrontiert werden. Denn die Aspekte, auf die ein Fremder glaubt einen Fremden festlegen zu können (die „points of you“) werden in der Serie durch die Perspektiven der Betroffenen, also deren „points of view", konterkariert.

Nicht nur deshalb ist diese Komödie vielleicht ein Lichtblick für Menschen wie Herrn A. und seinen Sohn C.  Auf jeden Fall aber ist sie deshalb ein gelungenes Beispiel für humorvolle interkulturelle Interaktion. Und interagieren können auch Sie als Zuschauer/in mit den Produzenten der Kurzfilme, Sebastian Hasse und Ryan Wichert, indem Sie Ihre eigenen Ideen, Geschichten und Erfahrungen mit alltäglichen Vorurteilen einsenden. 

Nun aber: Film ab! http://www.pointsofyou.eu/ 

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