Sonntag, 3. April 2011

Technik versus selber denken

Teil 3 der Lesenotiz zu "Die große Zukunft des Buches"

Gibt es Vergänglicheres als dauerhafte Datenträger?

J.-C. C.: „Über diese ständig gleichen, nun schon gebetsmühlenhaft wiederholten Überlegungen zur Flüchtigkeit der zeitgenössischen Datenträger, können zwei Liebhaber von Inkunabeln wie Sie und ich doch nur milde lächeln, nicht wahr?“ (22)

Jean-Claude Carrière verweist auf ein Buch aus seiner Sammlung, das im 15. Jahrhundert entstand und das heute noch lesbar ist – anders als Musik- und Videokassetten, CD-Roms und andere schnell veraltende Technologien, die gerade schon fast nicht mehr lesbar sind, obwohl sie nur ein paar Jahre alt sind.

U.E.: Die Geschwindigkeit, mit der die Datenträger veralten, die ständige Beschleunigung, trägt zur Auslöschung des Gedächtnisses bei. Auf der einen Seite erfinden wir viele Geräte zum Speichern der Erinnerung, auf der anderen Seite aber, gehen wir mit den kulturellen Produkten, die wir hervorbringen nicht eben sorgsam um.

Comics beispielsweise sind selten und deshalb teuer. Weshalb? Weil die Zeitungen, in denen sie erscheinen, die Druckplatten nach dem Gebrauch wegwarfen.

Das Erinnern in Form von Büchern, ist eine uralte Idee – schon die Römer wollten die Schriftrollen mit Werken ihrer Zeit besitzen und sammeln. Wenn Bücher verlorengingen, dann durch religiöse Zensur oder Bibliotheksbrände, nicht aber durch Unachtsamkeit.

Was geschähe ohne elektrischen Strom?

J.-C. C.: Ohne Strom ist alles unwiederbringlich verloren. Bücher aber können wir auch dann noch lesen, wenn das gesamte audiovisuelle Erbe verlorengegangen ist. Doch sind nicht alle je verfassten Bücher erhalten – fast alle Schriftrollen der römischen Antike sind verschwunden, obwohl die römischen Patrizier Bibliotheken mit Tausenden von Werken unterhielten.

U.E.: Moderne Datenträger veralten schneller: Warum sollten wir uns mit Dingen befrachten, die womöglich bald stumm sind? „Wenn ich also etwas retten will, was leicht transportierbar ist und unter Beweis gestellt hat, dass es den Unbilden der Zeit zu trotzen weiß, dann wähle ich das Buch.“ (35)

Wie verhält sich die Technologie des Buchdrucks im Verhältnis zur exponentiellen Beschleunigung der modernen Technik?

J.-C. C.: „Jedesmal, wenn eine neue technische Errungenschaft auf den Plan tritt, will sie unter Beweis stellen, dass sie uns von den Regeln und Zwängen entbindet, die alle früheren Erfindungen mit sich brachten. Sie gibt sich stolz und einzigartig. Als ob das neue technische Gerät automatisch eine natürliche Befähigung ihrer neuen Nutzer mit sich brächte, die alles Lernen überflüssig macht. Als ob sie von sich aus ein neues Talent mitlieferte.“ (38)

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