Sonntag, 20. März 2011

Dringlich! – NeuZugänge

Kennen Sie das Kreuzberg-Museum in der Berliner Adalbertstraße? - Nein?! Dann nichts wie hin! Noch bis zum 27.März 2011 sind dort „NeuZugänge“ zu sehen – eine Ausstellung über Migrationsgeschichten in Berliner Sammlungen.

Berliner/innen mit und ohne Migrationserfahrung und vier Museen zeigen dort konzentriert Objekte von der Tabakdose bis zur Gnocchi-Reibe. – Schon gewusst? In Uruguay ist es in einigen Familien Tradition, am 29. eines Monats Gnocchi zuzubereiten und sie nicht einfach in ihrer Kloßform zu belassen, wie das in Italien vielleicht der Fall ist, sondern ihnen mit der Gnocchi-Reibe noch den letzten Schliff zu verpassen.
Jaja: Allein die Geschichte der Gnocchi-Reibe, erzählt von einer Dame, die nicht als politischer oder Wirtschaftsflüchtling nach Deutschland kam, sondern um ihren Horizont zu öffnen, lässt erahnen wie aufgrund von Wanderung Neues und Interessantes entsteht.

Dass das leider nicht jede/r in Deutschland zu schätzen weiss, wird an einer Stelle in der Ausstellung sehr deutlich: Eine in den 1980er Jahren nach Deutschland aus Polen gewanderte Deutsche erzählt, wie sie einen Gedichtband – polnische Gedichte aus mehreren Jahrhunderten im Original und in deutscher Übersetzung – aus ihrer brennenden Wohnung rettete. Ihre Wohnung war von Ausländerfeinden angezündet worden.

Im Einwanderungsland Deutschland, dessen Politiker immer noch und wiederholt von „Integration“ reden und damit mit dem Finger auf „Ausländer“ und deren Verpflichtung, sich anzupassen zeigen, wird man – hoffentlich – nicht mehr allzu lang brauchen, um stattdessen von der Transformation unserer Gesellschaft zu sprechen, die ein junger Koreaner in übertragenem Sinne längst realisiert hat: In der Berliner Schreberkolonie „Wiedervereinigung“ baut er seit einiger Zeit koreanisches Gemüse an.

Wenn „Integration“ gefordert wird, ist zu fragen: „Integration wohin?“ – Kultur transformiert sich ständig selbst. Die von einigen Politikern beschworene „Leitkultur“ darf es – nach zwei Diktaturen in Deutschland – nicht wieder geben. Es kann sie auch nicht geben, denn Transformation ist gegenwärtig und längst Realität. Die Ausstellung im Kreuzberg-Museum macht diese Prozesse anschaulich und regt an, die eigene Migrationsgeschichte – sei sie räumlich oder geistig vonstatten gegangen – in den Blick zu nehmen.

"NeuZugänge" kann man aber nicht zuletzt auch als Aufforderung verstehen, den Wandel der Gesellschaft aktiv mitzugestalten. – Also: Gehen wir’s an!

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